Viele Unternehmen haben die Business Partner Rolle eingeführt. Damit einher fokussiert sich der Business Partner auf strategische Themen und delegiert das Bewerbermanagement an eine operative Rolle. In Bezug auf das Recruiting sehen wir bei der Rolle Business Partner häufig die Aufgabe der Vorselektion von Kandidaten sowie der Teilnahme an Interviews. Doch ist diese Aufgabe da wirklich sinnvoll angesiedelt? Um dies zu beantworten, ist es notwendig die Entstehung der Aufgabe zu betrachten.
In Zeiten vor dem Fachkräftemangel wurden Recruiting Systeme eingeführt, um die Sichtung der Bewerbermassen effizienter zu gestalten. Die Rolle Bewerbermanagement hatte stets die Aufgabe, die Kandidaten in das System zu bringen sowie Korrespondenz und Terminierung durchzuführen.
Der Business Partner übernahm die Vorselektion, weil die zuständige Führungskraft mit der Menge an Bewerbern überfordert war. Ein zusätzlicher Grund, den wir häufig hören, war die Unfähigkeit der Führungskräfte, aus einer Vielzahl von Bewerbern die geeignete Person für das Interview zu filtern. Die Business Partner waren auch stets in Sorge, dass mithilfe teurer Recruiting Maßnahmen gute Kandidaten akquiriert werde, diese durch ein möglicherweise zögerliches, verhaltenes Verhalten der Führungskräfte allerdings wieder abspringen.
Nach der Vorselektion erfolgt das Bewerbungsgespräch (Interview). Dies wird in der Regel vom Business Partner begleitet. Manchmal nur das Erstgespräch – manchmal aber auch Erst- und Zweitgespräch. In zahlreichen Gesprächen mit den Business Partnern haben wir hinterfragt, welche Aufgabe im Interview wahrgenommen wird und welcher Mehrwert ein Business Partner dabei darstellt. Die Begründung war stets dieselbe. Die Gesprächsbeteiligung ist wichtig, um primär die Qualität der Bewerberselektion also die Auswahl der Kandidaten sicherzustellen aber auch um das Unternehmen in einem positiven Licht für Bewerber attraktiv darzustellen. Einig war man sich stets, dass die fachliche Bewertung bei der Führungskraft oblag. Der Business Partner fokussiert sich auf die Persönlichkeit des Kandidaten, auf eine mögliche Teamintegration, auf soziale Kompetenzen sowie auf vertragliche Konditionen.
Fazit: Die Präsenz des Business Partners basiert auf die u.a. 5 Gründe.
- Kapazitative Engpässe bei der Führungskraft
- Mangelnde fachliche Qualifikation der Führungskräfte zur Vorselektion
- Niedrige Reaktionsgeschwindigkeit der Führungskraft bei der Vorselektion
- Defizite bei der Gesprächsführung in Bezug auf die Einschätzung persönlicher Fähigkeiten von Kandidaten
- Mangelnde Kommunikationsfähigkeit in Bezug auf Employer Branding, Attraktivität des Arbeitgebers sowie Unfähigkeit zur korrekten Entgelteinstufung
Die fünf o.g. Gründe klingen etwas ketzerisch. Das ist bewusst so, denn die Kapazität des Business Partners ist eng bemessen und die Vorselektion sowie das Führen von Gesprächen nimmt einen prozentualen Großteil der Tätigkeit in Anspruch.
Nur als Vergleich. 20 Stellenbesetzungen mit ca. 20 Bewerbende pro Stelle, ergibt ca. 2800 Minuten Arbeit (pro Bewerbung ca. 7 Min). Die Gespräche sind pro Stelle ggf. mit 4 Kandidaten á 2 Std. Das sind weitere 9600 Minuten zzgl. Nachbereitung. Dies ergibt in Summe ca. 206 Stunden (ca. 25 Tage).
In der Zwischenzeit hat sich das Blatt allerdings gewendet. Wer heute 20 Bewerbungen auf eine Ausschreibung erhält, kann sich glücklich schätzen. Vielmehr gilt es die wenigen Kandidaten nicht zu verlieren. Damit einher ändert sich auch der Fokus der Business Partner Rolle. Nun gilt es clevere Recruiting Maßnahmen zu starten, sein Employer Branding zu stärken, nahe und schnell beim Kandidaten zu sein. Das bedeutet aber nicht, dass damit die Vorselektion sowie die Interviews weiter Bestandteil der Aufgabe sein müssen. Ein Business Partner lässt sich ja nicht klonen Vielmehr gilt es jetzt loszulassen und der Führungskraft ihre Führungsaufgabe wieder zu überlassen.
Die Bewerbungen könnten insofern direkt zur Führungskraft, denn das Argument mit dem Aufwand für die Führungskraft ist entschärft. Primär gilt es nun, die wenigen Kandidaten fachlich zu sortieren. Wer also die Mindestanforderung erfüllt, wird heute quasi schon eingeladen. Das kann eine Führungskraft auch sicherstellen. Die Rolle Bewerbermanagement sollte allerdings die Geschwindigkeit des Prozesses überwachen. Sofern Führungskräfte nicht rasch reagieren, gilt es nachzuhaken.
Betreffend der Interviews ist es durchaus möglich, dass sich die Führungskräfte im ersten Gespräch auf die Fachlichkeit beziehen. Wichtig ist allerdings, den Führungskräften, klare Sprachregelungen für eine Unternehmensdarstellung sowie den Benefits mitzugeben. Dann gelingt auch der Change bei den Führungskräften.
Eine Änderung der Business Partner Rolle oder auch des Recruiters wird nicht einfach sein. Hier bedarf es viel Fingerspitzengefühl. Einen Mittelweg zu wählen, ist manchmal vorteilhaft. Beispielsweise könnten Business Partner immer noch ein Gespräch mit dem finalen Kandidaten quasi als QS-Prozess führen anstelle einer kompletten Entbindung. Ein gemeinsamer Prozess-Workshop hilft, den Prozess neu auszurichten, Bedenken zu prüfen und Betroffene zu Beteiligten zu machen.
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Nächste Woche bleiben wir noch beim Thema Recruiting, schlüpfen aber in die Rolle des Bewerbermanagements.
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