Möchte ein Unternehmen ein Digitalisierungsprojekt lancieren, steht stets die Frage der Effizienzsteigerung im Raum. Dies wird in der Regel vor Beauftragung mit dem Entscheidungsträger besprochen.
Nehmen wir an, dass ein Unternehmen digitale Abwesenheiten einführen möchte. Die dazu notwendige Implementierung fordert ein definiertes Budget. Der ROI – also die Einsparung wird gerechnet. Im besten Fall Anzahl Vorgänge, die vormals manuell gerechnet werden (Summe Minuten) versus Anzahl Vorgänge, die künftig automatisch erfolgen (Summe Minuten). Die Differenz ist die Einsparung. Nun stellt man die Einsparung ins Verhältnis der Implementierungskosten und auch der möglichen höheren Lizenzkosten.
Die erste Frage wäre: wie hoch muss überhaupt ein ROI sein, damit ein HR-Digitalisierungsprojekt positiv bewertet wird. Und stehen neben den ROI auch andere weichere Faktoren wie Employer Branding, Transparenz etc.
Die Höhe des ROI zur positiven Entscheidungsfindung ist übrigens Unternehmens spezifisch, wenn nicht sogar Personen spezifisch.
Die zweite Frage wäre, ob die gerechneten Planzahlen wirklich am Ende realistisch sind.
Verfolgen wir das Beispiel mit den Abwesenheiten konkret mit der e-AU.
Im alten Prozess (2022) hat ein Mitarbeitende seine Krankmeldung physisch übermittelt. Die Daten wurden in der Entgeltabrechnung erfasst und zum Zwecke der Entgeltunterbrechung per EEL Meldung an die Krankenkasse übermittelt (nur diejenigen Atteste, die eine Gefahr der Langzeiterkrankung in sich bergen).
Mit Einführung digitaler Abwesenheiten nutzt der Mitarbeitende einen Korrekturantrag als Self-Service. Somit entfällt die manuelle Erfassung der Abwesenheiten für die Personalverwaltung (Einsparungspotenzial).
Bis zu diesem Zeitpunkt klappt der ROI noch – sofern in der ROI-Berechnung die Hotline mitgerechnet wurde, wenn Mitarbeitende anrufen und nicht wissen, wie man den Workflow bedient.
Nach einem halben Jahr erfolgt die Einführung der digitalen e-AU. Gemäß Botschaften in der Presse – eine erneute Erleichterung der Personalabteilung. Man muss jetzt nicht mehr den Krankenattesten nachlaufen. Theoretisch.
Praktisch hat dies allerdings dazu geführt, dass zunächst ein zusätzliches Projekt Schnittstelle Payroll System zu den Krankenkassen etabliert werden musste. Die Rückmeldung der Abwesenheiten zeigen die SOLL Daten der Krankmeldung. Dem Unternehmen liegen allerdings IST-Daten der Krankmeldung vor. Viele Abrechnungssysteme schaffen es nicht, die gemeldeten Daten so optisch den SOLL-Daten gegenüber zu stellen, dass man auf einen Blick erkennen kann, ob der Datensatz korrekt ist, oder ob die vorhandenen Daten falsch und angepasst werden müssen. Dieser letzte wichtigste Arbeitsschritt – nämlich das Matching der Daten im Abrechnungssystem bleibt auf dem Rücken des Sachbearbeiters. Hinzu kommt, dass vormals nur diejenigen Krankmeldungen gemeldet wurden, die in die Gefahr der Lohnfortzahlung kamen. Nun werden alle Krankmeldungen gemeldet, weil man ja wissen will, ob der Mitarbeitende wirklich beim Arzt war.
Fazit: der einst gerechnete ROI wurde aufgrund gesetzlicher Änderungen komplett getötet. Und noch schlimmer, der Aufwand der HR-Abteilung hat sich extrem erhöht. Der gerechnete ROI wurde allerdings in der Zwischenzeit zur neuen SOLL-Kapazität der Personalverwaltung. Kaum jemand prüft nun die neuen Ressourcen, „nur weil eine kleine gesetzliche Änderung“ umgesetzt wird.
So folgen unzählige kleine Projekte im Laufe des Jahrs wie beispielsweise Job Rad (was ja laut Werbung von Anbietern komplett über externe Dienstleister erfolgt) oder die e-KFZ, die steuerlich anders zu handhaben sind.
Fazit: die Digitalisierung ist ein Muss, um den Kapazitäten Bedarf überhaupt im Zaum zu halten. Der kapazitative ROI darf allerdings nicht abgebaut werden, denn dieser wird leider zeitnah verschluckt durch gesetzliche und betriebliche Veränderungen.
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Ihr HR|next Team
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